Das Konzert endete mit einer hinreißenden Wiedergabe der Motette „Lobet den Herrn“ von Johann Sebastian Bach und, nach begeistertem Beifall in der gut besuchten Kirche, mit zwei Spirituals als Zugaben.
Auf den Spuren der Entdecker
Erschienen am 19.07.2019
Von Klaus Trapp
DARMSTADT – Auf die Spur der europäischen Entdecker begab sich der Australian Chamber Choir (Australischer Kammerchor) aus Melbourne beim vierten Konzert des Internationalen Orgelsommers in der Darmstädter Pauluskirche.
Der ausführliche Programmtext zeigte auf, wie sich zeitgleich die Ereignisse um die mutigen Weltumsegler und die Entwicklung der europäischen Musikkultur abspielten.
Für die australischen Gäste war aber auch die Tatsache bedeutsam, dass Jahrtausende vor der „Eroberung“ ihr Land bereits von den Ureinwohnern besiedelt wurde und dass Musik aus ihrer Heimat daran erinnern sollte.
So entstand ein buntes Kaleidoskop, das stilistisch von der Renaissance bis zur Moderne reichte. Wenige sparsame Gesten des Chorleiters Douglas Lawrence genügten, um die achtzehn Sängerinnen und Sänger zum eindringlichen Musizieren zu bewegen.
Man hörte strahlende Soprane, klare Altstimmen, biegsame Tenöre und Bässe, die sich zu einem harmonischen A-cappella-Klang vereinten. Hier und da traten führende Solisten aus der Gruppe heraus. So gelang es, die unterschiedlichen Werke spannend und kontrastreich zu gestalten.
Das Schäferlied „Bergerette savoyenne“ und das Gloria aus der Messe „Pange Lingua“ wurden von Josquin des Prez um 1504 komponiert, in der Zeit, als in Venedig die erste Weltkarte geschaffen wurde. Und der Portugiese Vicente Lusitano schrieb sein kühnes, von Chromatik durchsetztes „Heu me Domine“ um 1520, als der der deutsche Kartograph den ersten Globus herstellte, auf dem die südliche Landmasse mit „Terra Australis“ bezeichnet war.
Der Chor steigerte sich bei seinen Wiedergaben bis zum ersten Höhepunkt, der Motette „Hodie Christus natus est“, die Jan Pieterszoon Sweelinck 1619 komponierte, zu der Zeit, als die ersten Europäer an der Westküste von Australien landeten. Zwei selten zu hörende Chöre für Männerstimmen von Ludwig van Beethoven, der ernste „Gesang der Mönche“ und der heitere „Abschiedsgesang“, stammen aus den Jahren, als der Begriff „Australien“ für den „neuen“ Weltteil in den allgemeinen Sprachgebrauch übernommen wurde. Und die „Trois Chansons“ von Claude Debussy wie die Hymne „O sacrum convivium“ des Olivier Messiaen korrespondieren mit der Epoche, als man Expeditionen ins Innere Australiens unternahm, meist begleitet von kundigen Aborigines.
Die eigene Sprache des fünften Erdteils kam zum Klingen in den Versen des Einheimischen Bill Neidjie in der straffen Vertonung von Tom Henry, stammend aus Melbourne.
Und im Zentrum des Programms stand ein Werk, das 2019 seine Uraufführung erlebte, der Chor „Time Passages“ von dem in Sydney gebornen Alan Holley. Hier konnte der Kammerchor beweisen, dass er auch mit modernistischen Techniken wie scharfen Dissonanzen und Glissandi professionell zurecht kommt.
Das Konzert endete mit einer hinreißenden Wiedergabe der Motette „Lobet den Herrn“ von Johann Sebastian Bach und, nach begeistertem Beifall in der gut besuchten Kirche, mit zwei Spirituals als Zugaben.
